Bezeichnung als „Nazi“ ist nicht immer eine Beleidigung

Wer einen Beitrag, der die Schuld an dem 2. Weltkrieg den Juden mit der Begründung anlastet, diese hätten den Krieg gewollt, um den Staat Israel gründen zu können, mit einem „gefällt mir“ Kommentar versieht und einen solchen Beitrag teilt, der muss es sich auch gefallen lassen, wenn er in einer politischen Auseinandersetzung als ein „Nazi“ bezeichnet wird.

Landgericht Lüneburg 4 0 76/16, Urteil vom 02.05.2016 (rechtskräftig) Die Grenzen der Meinungsäusserung in der alltäglichen politischen Auseinandersetzung sind immer wieder schwer zu bestimmen. Gerade bei Meinungsäusserungen mit Tatsachenkern, wenn also ein Verhalten einer Person im öffentlichen Raum politisch bewertet wird, fühlen sich manche, die gerne hart austeilen, schnell beleidigt.

Der Verfügungsbeklagte hatte auf einer antifaschistischen Website einen längeren Artikel über Aktivitäten der Naziszene in der Umgebung veröffentlicht. Unter anderem wird in dem Artikel kurz auf die „Montagsmahnwachen für den Frieden“ eingegangen, auf denen „neben diversen Verschwörungstheorien auch rechte Inhalte verbreitet werden“. Der Artikel enthält zudem ein Bild, auf dem Teilnehmer der Montagsmahnwache in Uelzen abgebildet sind. In der Bildunterschrift werden drei Personen mit Organisationszugehörigkeit genannt. Darunter heisst es: „Die weiteren Personen auf dem Bild sind keine Rechten oder Nazis. Sie nahmen allerdings an den Montagsmahnwachen in Uelzen teil …“.

Der Verfügungskläger hat ursprünglich die Facebook-Gruppe „Nachbarn helfen Nachbarn“ gegründet, die inzwischen allerdings nicht mehr existiert. In einer geschlossenen Facebook Gruppe mit ca. 120 Mitgliedern, deren Mitglied der Verfügungskläger ist, wurde ein Beitrag gepostet, in dem ein Bild mit dem Foto von Winston Churchill und dem Zitat „Wir werden Hitler den Krieg aufzwingen, ob er will oder nicht zu sehen ist. Dieses Foto nebst Zitat wurde mit dem folgenden Kommentar versehen: „Nicht Adolf Hitler wollte den Krieg sondern die Zionistischen Freimaurer um den Staat Israel zu gründen!“ Der Verfügungskläger teilte diesen Beitrag und versah den Eintrag mit einem gefällt mir“ Kommentar und dem zusätzlichen Kommentar „Das ist ja nur die Spitze des Eisbergs … wir können das hier gern vervollständigen, da gibts einiges an Material.“

Das Gericht kam zu dem Schluss, „die mithin als Meinungsäußerung einzustufende (mittelbare) Bezeichnung des Klägers als „Nazi“ erweist sich trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers und der Beeinträchtigung seiner Ehre als zulässig, weil sie von der Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz gedeckt ist.“

„Die Bezeichnung als „Nazi“ stellt im konkreten Fall im gegebenen Kontext keine bloße persönliche Herabsetzung des Verfügungsklägers dar, bei der das sachliche Anliegen durch die persönliche Kränkung völlig in den Hintergrund gedrängt wurde. Vielmehr stellt sie eine Bewertung der politischen Haltung und Gesinnung des Verfügungsklägers vor dem Hintergrund seiner Mitgliedschaft in der Bürgerbewegung „Nachbarn helfen Nachbarn“ und seiner Teil nehme an den Montagsmahnwachen in Uelzen dar, ohne dass dabei die persönliche Diffamierung des Verfügungsklägers im Vordergrund stand. Die angegriffene Äußerung erfolgte anlässlich und im Zusammenhang mit einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung. Es geht mithin gerade nicht um eine anlasslose Herabsetzung des Verfügungsklägers. Auch eine Formelbeleidigung des Verfügungsklägers ist nicht gegeben.“

„Dadurch, dass der Verfügungskläger den Eintrag bei Facebook mit dem Bild von Churchill und dem Kommentar „Nicht Adolf Hitler wollte den Krieg sondern die Zionistischen Freimaurer um den Staat Israel zu gründen!“, geteilt und mit dem Kommentar „gefällt mir“ versehen hat, hat er sich die in diesem Kommen tar zum Ausdruck kommende politische Gesinnung zu Eigen gemacht.“

Auch die Ausrede des Verfügungsklägers, er habe seine Äusserung ja „nur in einer beschlossenen Facebook-Gruppe“ gemacht liess das Gericht nicht gelten. „Allein der Umstand, dass der Verfügungsbeklagte, der nicht Mitglied dieser Gruppe ist, Zugriff auf den Inhalt der Facebook-Gruppe hat, zeigt, dass es sich nicht um Äußerungen des Verfügungsklägers im privaten Umfeld handelt.“

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